» Erfahrung von Veroushkao
Ich heiße Veroushka, bin 25 Jahre alt und in Paris von russischen Eltern geboren. Die Umwelt, in der ich aufwuchs, war sehr künstlerisch und anspruchsvoll.
Meine Eltern waren nicht verheiratet und hatten selbst nie eine Familie gehabt. Die Stimmung bei uns zuhause war schwer und gespannt, wir hatten viele Geldprobleme und oft gab es Gewalt; dann war mein Vater immer über Monate fort.
Als ich 3 Jahr alt war, stand ich das erste Mal auf einer Theaterbühne, bis ich 22 Jahre alt war modelte ich auch viel und in der ganzen Welt. Mit 15 habe ich die Schule abgebrochen und bin von Zuhause weggegangen. Danach habe ich bei Freunden, auf der Straße und in Psychiatrien gewohnt.
In dieser Zeit habe ich mehrere Leben gelebt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich schon mal geliebt habe. Ich hattenie die Kraft gespürt etwas Gutes in dieser Welt zu sein, oder zu bringen.
Sehr früh habe ich verstanden, dass diese Mode- und Filmwelt nichts für mich ist, aber der Druck war zu schwer um es loslassen zu können und so habe ich weiter gearbeitet. Ich hatte keine schützende und sichere Schulter, die sich um mich kümmerte; meine Eltern waren selbst in diesem Leben verloren, während ich zwischen Mode und Kriminalität lebte.
Ich war 10 Jahre drogenabhängig, habe Heroin und Kokain genommen, aber jedes Jahr kam eine neue Abhängigkeit dazu. Die schwierigste Phase meines Lebens fing 2004 nach dem Tod meines Vaters an. Ich war 20 Jahr alt und habe in Kanada gelebt. An diesem Punkt konnte ich nicht mehr und ließ alles hinter mir - meine Arbeit, meine Freunde, meinen Freund, meine Wohnung -, um auf die Straße zu gehen. Ich hatte einfach keine Kraft mehr um weiter zu kämpfen und ein normales Leben zu führen.
Gleichzeitig habe ich die Familie meiner Halbschwester und der ersten Frau meines Vaters entdeckt. Sie haben sich um mich gekümmert und mehrere Male auf Entzug geschickt. Aber ich war zu krass und zu wild. Schließlich haben sie mir ein Ultimatum gestellt: Entweder ich gehe für ein Jahr nach Brasilien auf die Fazenda, oder ich darf meinen Neffen nicht mehr sehen. Ich bin geflogen, aber ohne es richtig zu wollen. Nach sieben harten Monaten wollte ich das Jahr abbrechen und nach Hause, doch dann haben mich die Verantwortlichen eingeladen meine Rekuperation in Deutschland zu beenden. Zuerst sagte ich "Nein", doch auf dem Rückweg war ich plötzlich mit Licht und Vertrauen erfüllt, ich habe gespürt, dass dort meine Zukunft ist.
Vier Monate bin ich in Riewend geblieben und habe dann, einen Monat vor meinem Jahresende, abgebrochen. Nach viel Streit und tausend Gesprächen mit den Verantwortlichen bin ich gegangen. Sie sagten, ich könne nicht mehr in meinem Loch bleiben, in der Haut der alte Veroushka; ich müsse weiter gehen, neue Schritte machen. Aber ich wollte nichts von all dem wissen. Eines Freitag Abends bin dann nach Berlin zu einer Freundin gefahren und wir haben die ganze Nacht durchgefeiert. Es war so richtig cool! Aber als ich den nächsten Tag aufgewacht bin, habe ich ganz deutlich gespürt, dass wenn ich nicht auf die Fazenda zurückgehe, ich sterben würde.
Das erste Mal in meinem Leben hatte ich gespürt, dass ich leben wollte. Zwei Wochen später habe ich ein neues Jahr der Rekuperation angefangen.
Ich verstehe jetzt, dass ich das erste Jahr gebraucht habe um meinen Körper und das zweite um meine Seele zu reinigen. Ich habe sehr viel gelitten in diesen zwei Jahren. Ich dachte, dass es kaum Gutes und Liebes gibt, konnte nicht glauben, dass sich jemand "von Gott" nennt und Gutes tun möchte, doch ich habe gelernt Menschen zu vertrauen.
Die gütige und milde Art von Schwester Marilen´ s Disziplin haben meine Meinungen verändert. Einmal bin ich zu ihr gegangen, weinte und entschuldigte mich für mein Misstrauen und Zweifel an ihr. Von diesem Moment an bauten wir eine tiefe Beziehung auf, darauf dann auch mit meinen Verantwortlichen und den anderen Mädchen. Ich konnte immer wieder neu anfangen, glauben und spüren, dass Gottes Liebe unendlich und grenzenlos ist.
Meine erste Erfahrung mit Gottes Wort war ein Tag, an dem ich nicht im Arbeitshaus, sondern im Garten arbeiten wollte. Jùlia ist zu mir gekommen um mich an meinen Arbeitsplatz zurückzuholen. Am liebsten wäre ich abgehauen. Ich bin stink sauer zum Wald gegangen, aber dann erinnerte ich mich an das Wort: "Treu in den kleinen Dingen sein." In meinem Kopf war es klar: Treu in den kleinen Dingen sein war jetzt wieder an die Arbeit zu gehen, zurück ins Arbeitshaus. Ich war immer noch sauer, aber es ist nicht die Schuld der anderen Menschen, dass ich sauer bin und dieser Gedanke hat meinen Tag verwandelt. Zum ersten Mal habe ich das Wort verstanden und gelebt.
Einmal hat mich meine Mutter eine ganze Woche besucht. Unsere Beziehung war schwierig, aber einen Abend in der Kapelle habe ich verstanden, dass ich auch eine Mutter im Himmel habe: Maria. Und dass ich an ihr ein Vorbild nehmen darf. Plötzlich war alles einfacher und schöner, ich hatte weniger Angst vor dem Leben.
Maria - Sein für meinen Nächsten, treu, diskret, beharrlich, um Jesus in unsere Mitte gebären zu lassen wurde jetzt mein größter Wunsch und an diese Erfahrung erinnerte ich mich sechs Monate später, als ich erfuhr meine Mutter würde an Krebs sterben. Noch einmal einen Monat vor dem Ende meines Jahres bin ich von der Fazenda gegangen, aber dieses Mal mit den Segen und der Gegenwart meiner Verantwortlichen. Ich habe die schönste Erfahrung meines ganzen Lebens gemacht: Ich bin die Mutter von meiner Mutter geworden. Ich habe sie gefüttert, gewaschen und angezogen; ich habe mit dem Arzt gekämpft, dass sie in Ruhe sterben darf. Sie wollten ihr starke Medikamente geben, dass sie noch ein paar Monate hätte leben könnte, doch sie hatte sich entschieden friedlich zu gehen und ich habe ihre Entscheidung unterstützt. Das Schwerste war ihren Tod aus Liebe zu ihr zu erbitten; aus Liebe auch zu mir.
Ohne das Vertrauen in Gottes Willen hätte ich diese Erfahrung nicht überlebt.
Meine Mutter ist nach eineinhalb Monate, an meinem Geburtstag, im Krankenhaus gestorben. An diesem Tag hatte ich eine Aufnahmeprüfung an einer Hochschule für Geschichte und Kunstgeschichte. So tief habe ich Tod und Auferstehung erfahren! Der Tod meiner Mutter hat uns befreit, mich und meine Mutter. Sie hat gesehen, dass ich meinen Lebensweg gefunden habe und ich weiß, dass sie nicht mehr leidet und zum Vater heimgegangen ist.
Seit diesem Tag habe ich ein geschäftiges Leben in Paris. Ich kümmere mich um die Archive meiner Eltern, mache mein Abitur nach, suche normale Freundschaften, weit weg von der Drogenszene. Aber das alles ist vergänglich. Wenn die Dinge geklärt sind, möchte ich wieder auf der Fazenda leben, denn Gott hat mich befreit, damit ich ihm mein Leben schenken kann. Durch diese Gemeinschaft möchte ich mich entwickeln. Es ist dieser Ort, warum mein Herz schlägt, warum ich lebe und nicht nur überlebe.
Die Familie der Hoffnung ist das schönste Geschenk von Gott in meinem Leben.
Veroushka